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Die deutsche Version

Noch immer in Vorbereitung!

Doch zum BeispielLichtbild von Milan Nesic

Hier unten: Der Tod Großvater Jovas

Nichts und Alles

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 DIE ERSTEN TAGE

POLITIK, BROT UND BUCH

DER DICHTER UND SEINE FRAU

LITERARISCHE AUTOBIOGRAPHIE

Einige Bemerkungen:

Das Leben ist schwer, nicht die Mathematik!

DURCH SOZIALIZMUS ZUM GOTT

DURCH SOZIALISMUS ZUM KRIEG

Der Tod Großvater Jovas

©opyright Milan Nešić

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Ich war wohl kaum älter als sieben Jahre, als Großvater Jova starb. Wenn der Tod eine an sich gewöhnliche Sache ist, so starb er kein bißchen ungewöhnlich, so wie jeder Greis sterben könnte: mit abgezehrtem, fast erdbraunem Gesicht, einem schütteren Bärtchen, das längst weder grau noch blond, sondern von unbestimmbarer Farbe war und durch das hohe Alter eher einer Fleche ahnelte, ja sogar aufgehört hatte zu wachsen; die Augen glanzlos und eingesunken, tränend, aber nicht von Kummer und Leiden, sondern nur vom Alter, einfach wie in sich seibst zerflessen; aber bei Bewußtsein. Sicherlich wohl bei einem ungewöhnlichen Bewußtsein, einem eigenartigen, vielleicht sogar ohne jedes materielle Vermögen, sehr verengt also, aber gerade deshalb scharf und merkwürdig in sich selbst ruhend. Das entging nicht einmal einem Kind, und ich konnte damals gerade erst ein paar Buchstaben entziffern. Weshalb hatte ich sonst jede Einzelheit behalten?! Denn damals, als sie sich mir einprägten, bemerkte ich das nicht. Nach Kinderart eben. Erst später zwang es mich zum Nachdenken, erst später kam es mir eigenartig vor, daß ich mich auf jede Kleinigkeit so gut besinne, erst später ahnte ich, daß es eigentlich nicht an dem „unbelasteten Gedächtnis des Kindes" liegt. Was es an dem Tag zum Frühstück oder Mittagessen gab, weiß ich nicht mehr; nicht einmal, wer am Kopfende von Großvaters Bett saß, die Mutter, die Tante oder die Nachbarin Dunda?! Doch an die eingesunkenen Augen erinnere ich mich, an den von Qual gezeichneten, zusammengeschrumpften Mund, auf einmal gespitzt, als blase er etwas geräuschlos nach oben, wer weiß wohin; und die Hand, knochig, abgezehrt, schwarz und schwach, die sich aber plötzlich, zum letztenmal zusammenkrampfte. In diesem seinem letzten Augenblick, beim letzten Atemzug und Zucken entdeckte der alte Mann wohl etwas, er wußte etwas, was ich selbst nach so vielen Jahren nur ahne, ohne auch nur zuwissen, ob das eine Botschaft, ein Gedanke, ein Sinnesorgan ist; zitternd nur vor der Gewißheit dieses großen Geheimnisses, das so fürchterlich ist wie die Gleichgültigkeit seibst, wie eine endgültige Abrechnung ohne Forderungen und Schulden, ein Nichts, die Ruhe selbst. Ja, 1854 geboren, gehörte er zu der Bauerngeneration, die noch meinte, die Erde sei wie ein Teller und Gott halte sie mit dem kleinen Finger, er wußte in diesem Augenblick etwas, etwas so einfach wie das Nichts, aber sicher und zuverlässig wie die Geburt seibst, etwas, was all die Wissenschaft der Welt bis heute nicht weiß.

Er war eigentlich der Großvater meiner Mutter, ein kräftiger, zäher Bauer. Auch im hohen Alter ging bei ihm nichts nach Belieben. Auch in der verschneitesten Nacht erhob er sich von seinem Strohsack zum Abtritt auf dem Hof. Barfuß stapfte er durch den Schnee. Und erst in seiner Jugend? Keine Hündin durfte nur so leichthin mit dem Schwanz wedeln. Nicht eine. Nur so über die Schulter einen Blick zurückwerfen und dann tun, als wäre nichts gewesen. Das nicht. Der Mond schien, und er stemmte sich mit dem Rücken gegen die Tür, daß das ganze Haus zitterte. „Mach auf, sonst werfe ich dir das Haus um, deine Hütte" — so machte er dem Übermut des Mädchens, dem ein Lachen in der Kehle steckte, ein Ende. Dann mit ihr, unserer Großmutter, in die Kirche. „Steh auf, verschlafener Pope, daß ich mich heute nacht nicht an Gott versündige, die Hochzeitsfeier mag warten!" — Wo gibt es heute noch so etwas?!

Und so lebte er bis ins hohe Alter, bis ins zweiundneunzigste Lebensjahr. Nur kurz vor seinem Ende war es nicht mehr ganz richtig mit ihm. Macht sich meine Mutter einmal auf den Weg in die Stadt und sagt zu mir: „Junge, gieß Wasser auf die Bohnen nach, so ein halbes Töpfchen voll in einer Stunde." — Doch der Großvater erwischt mich am Arm, nicht ich, er will es machen.

— Du siehst doch nichts, Großvater, und schüttest daneben, denn deine Hände zittern.

— Ich mache es! — erwidert der Greis hartnäckig und läßt das Töpfchen nicht aus seinen kraftlosen Händen.

So rangen wir einmal miteinander, und ich,das Kind, spürte, daß auch in mir Kraft steckte. Der Großvater preßte die Lippen zusammen, atmete rasch, kurzatmig, doch nicht einmal als wir auf den Lehmboden niedergingen, sagte er etwas, aber das Töpfchen ließ er nicht los. So brannten die Bohnen an, meine Mutter schimpfte mich aus, schimpfte den Großvater aus; ich sagte nichts, dachte mir das meine, auch der Großvater schwieg und dachte sich das seine, wer weiß, was und wie? Doch beim nächsten Mal zeigte er sich noch halsstarriger: nicht nur Wasser zugießen wollte er, sondern die Bohnen auch selbst kochen. Und dann hantierte er, fingerte, rührte mit dem Kochlöffel, man wußte nicht, ob des Essens wegen oder, um sich daran festzuhalten. Zwei Tage aßen wir sein Gekochtes, dann konnten wir nicht mehr. Meine Mutter gab mir heimlich den Rat: Wenn er einduselt, hacke du Holz und dies und das, inzwischen bin ich zurück. Und nun mischte sich der Großvater nicht mehr ein, als ob er nichts sähe. Nur fuhr er in einer besessenen Wildheit fort, etwas zu werkeln. Als ob er sich selbst Essen bereite, Holz spalte, Wintervorräte anlege, den Hof inspiziere, am Zaun hämmere und repariere. Alles in einer Art Fieber. Mit schleppendem Fuß, langsamer Hand, kraftlos gebeugtem Rücken, doch in den Augen ein Feuer. Für alles andere waren seine Gedanken zu träge, hatte er kein Gefühl, keinerlei Interesse, doch für seine Werkelei flammte das Auge. Je stärker darin der fieberhafte Wunsch nach Leben brannte, desto weiter war er von ihm entfernt. Und dann brannten seine Augen aus und verdorrten. Er wurde bettlägerig. Wie ruhig er nun auf einmal war, ohne eine Spur von Unzufriedenheit, Auflehnung oder Trotz. Ja man konnte sogar sagen, hatte dieser federleicht gewordene Körper trotzdem versucht sich aufzurichten, so hätte er sich erhoben. Selbst heute erfaßt mich, wenn ich an seine letzten Tage denke, ein mit Bewunderung und Ehrfurcht gemischtes Grauen — mit wie viel Geduld und gefaßter Würde versuchte er doch, sich nicht zu erheben, keine Bewegung zu machen.

Und dann eines Tages, ich erinnere mich, daß die Sonne schon hoch hinter trüben Wolken stand, wurde ich beinahe böse, als er mich beim Spiel unterbrach und rief:

— Milosch, Milosch! — ich wunderte mich nicht einmal darüber, woher er auf einmal diese feste Stimme hatte.

Ich trat an die Schwelle: — Hier bin ich, Großvater. Was ist denn?

Jemand hob ihm den Kopf von Kissen. Mir kam es lange so vor, während er mich so anschaute, als sehe er mich wegen der unerhörten Entfernung nicht, in die mich sein leerer Blick stellte. Dann schien es mir, als hatten seine Augen doch aufgeleuchtet, und bald blieb vom Großvater nur eine zusammengekrampfte Hand.

Ich entsinne mich, daß es mir darauf sehr eigenartig vorkam, weshalb man sich so über diese Hand erregte, hin und her lief — drück doch, halt hier, bevor er erkaltet. . . Der tote Greis gab einfach nicht nach. Als man ihm schließlich doch die Hand öffnete, lag ein Schlüssel, ein gewöhnlicher Schlüssel darin. Der von seiner alten Truhe, einem richtigen Ungetüm. So ein großer Kasten, und darin nur ein paar Papiere. Grundbriefewohl für den Hof und nicht einmal zwanzig Dukaten, sonst alles leer.

Meine Verwunderung kannte keine Grenzen; ich schaute mir den Schlüssel an, ein ganz gewöhnlicher Schlüssel, stellenweise sogar verrostet. Ich blickte auf den Greis und seine noch halb zusammengekrampften Finger, ich wußte nicht, was ich denken, ja nicht einmal, was ich fühlen sollte, bis jemand schließlich auf den Gedanken kam und rief:

— Bringt das Kind fort! Mach Wasser heiß! Bringt ihn fort, damit er das nicht sieht, schnell, schnell! Wasser, Wasser her!

Man führte mich ganz verwirrt fort. In meinem Kopf rührte sich etwas wie von Ferne. Vielleicht ...

...

Wie denn?!

...

Warum?!

...

Was denn? Was denn?!

 

Review

(So beginnt ESSAY ÜBER GOTT, 

übersetzt von Brigitte Simić)

 

Oder noch ein Beispiel

Nichts und Alles

©opyright Milan Nešić

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Ist nicht jede Auseinandersetzung darüber, ob die Ursache so oder so beschaffen sei, ob das Gott, der Äther des Alls oder etwas anderes sei, nicht an sich sinnlos? Wenn sie nicht sinnlos sein sollte, so ist das eigentlich ein Streit über etwas anderes, darüber nämlich, ob morgen z. B. das Wort von Markus oder Marx entscheidend sein wird — sein Wort, eine Gelegenheit für mich — oder ob vieileicht ein dritter den einen wie den anderen und noch einen weiteren einschützen wird — ihnen als Maß, mir als Ungelegenheit — und ein Streit darüber, ob ich einfach ohne Horizont und verwirrt zurückbleiben werde, ich — und nicht Gottvater oder irgendein Sohn — oder ob ich mich rechtzeitig zu einem eigenen Risiko, zu einem Leben ohne Zitate und seit langem festgeschriebenen Glauben entsehließen werde. Ja, das ist ein ideologischer, politischer oder einfach ein psychologischer Streitfall, mit dem Glauben um den Glauben. Im besten Falle ist das ein Streit über diesen oder jenen sprachlichen Irrtum, über einen möglichen oder unmöglichen logischen Fehler, also über das Verfahren, das am wenigsten Raum für Fehldeutungen laßt,oder über einen Methodenstreit im weitesten Sinne: Wie soll man etwas durch das bedingte Denken und einzige Herz verstehen und erleben, etwas, was ansonsten bedingungslos und alles ist — die Unendlichkeit. Dann wird auch begreiflich, daß die unendliche Ursache nichts anderes bedeuten kann als die Unendlichkeit selbst, eben diese einzige echte, völlig unbestimmte Unendlichkeit, nicht etwa eine endlos F o f g e, wo sich ähnliches aneinander reiht. Sonst wöre ja auch die Ursache endlich, denn dadurch daß sie weder Folge oder einfach Grund wöre, bliebe sie begrenzt. Seibst wenn sie die endlose Grundlage darstellte, wöre sie dennoch begrenzt und damit endlich, eine Basis und nichts anderes. Daran festzuhalten, daß die Schöpfungsursache die Materie ist, wie sie nun einmal beschaffen erscheint, ist ebenso sinnlos wie die Behauptung, das sei die Idee. Denn wenn die Materie nicht die Idee sein sollte, dann ist sie durch die Idee ebenso eingeschränkt wie die Idee durch die Materie; dann sind weder die Materie noch die Idee unendlich. Wenn sie das aber sind (wie sie das wirklich sind), so dreht sich der Streit nur noch um ein mehr oder minder passendes Wort dafür, was unter den herrschenden wissenschaftlichen oder unter beliebigen anderen historischen Bedingungen dennoch deutlich zu spüren und zu ahnen ist. Über das Wort, das auch selbst nicht endltch sein kann, sondern bald Luft, bald Zahl, Feuer und Geist ist, läßt sich sicherlich nicht leicht ein Wort finden, ein Wort fur alles, für die Unendlichkeit. Wenn man das trotzdem müßte, wenn man es um jeden Preis müßte, dann wöre es wohl das beste, für diese völlig unbestimmte Unendlichkeit, für diese unendliche Unbestimmtheit einfach

dasNichts

zu sagen.

Könnte man sich dann doch irgendwie über dieses Nichts einigen? Könnten wir es Gott oder Materie nennen?

Lohnt es sich aber eigentlich, sich um das Nichts zu streiten? Nichts — das ist völlige Unbestimmtheit und Undefiniertheit, also alles, letztlich die totale Möglichkeit.

Wäre es nicht besser, wenn aus diesem unerschöpflichen Quell jeder für sich seine eigene Möglichkeit, sein Symbol, sein eigenes Wort schöpfen würde? Werden wir uns nicht trotzdem verstehen?

Es ist doch seit langem trotz allem klar, daß zwei plus zwei auf jede Weise vier ergeben und daß man nicht mit dem Kopf durch die Wand kann!

VII

Wenn wir also früher nicht sicher waren, wenn wir in unserer immerwährenden Kenntnis von schulmäßigen Interpretationen und tagespolitischen Erklärungen eigentlich nicht wußten, so wissen wir jetzt. Wir wissen nun schließtich, was Philosophie ist. Wir haben es persönlich erfahren, wie das einzig und allein auch möglich ist: durch eigenes Denken, das aus der Natur herausschafft und niemanden und nichts nachahmt, selbst wenn es Ähnlichkeiten aufweist, und durch eigene Anstrengung, die von innen heraus stimuliert und durch keine Empfehlung und keinen Zwang von außen beeiflußt wird, ganz gleich woher Kraft oder Hilfe kommt. Von Tag zu Tag haben wir, wer weiß seit wann, hier gelebt, uns gewundert und unter diesem Himmelsgewölbe, unter Dingen und Menschen auf den irdischen Wegen und Stegen, an den Ufern von Flüssen und an den Meeresküsten, im Regen und der finsteren Heiterkeit der Sterne Fragen gestellt und haben es schließlch in uns selbst erlebt. Und nur, damit wir uns auch weiter wundern und fragen, ahnen, leiden und uns freuen. Immer einen Schritt näher z u r  N a t u r  h i n , z u r eigentlichen, e i g e n e n Natur. Diesmal wir selbst (wir echt), mit einem eigenen Horizont, ja dann auch mit der ganzen Welt, mit allem, was einmal war und geschrieben stand, und damit, was vtelleicht sein wird.

Die Philosophie ist ja gerade das, das Erlebnis, das nicht abreißende Erfebnis, ein Denkerlebnis natürlich, aber aus der Tiefe des Gemüts und mit weit offenen Augen und Ohren. Die Philosophie ist die Denkungsart, durch die jeder Winkel des Bewußtseins erweckt und jeder Nerv des Körpers dazu angeregt wird, zu fragen und zu lernen, ohne Vorurteile zu horchen und zu forschen: Wieso besteht die Welt? Die Philosophie ist das Denkerlebnis, das in die Breite wächst, in die Tiefe taucht, und durch das die Fragestellung: Wieso extstiert die Weft? allmählich den Rückhalt bei irdischen Bestimmungen verliert und die unbestimmte, d.h. wahre Unendlichkeit ahnt und darin die eigene unbestimmte Antwort findet.Die Philosophic ist der unbegrenzte Denkprozeß, mit dem die Frage: Warum existiert die Welt eigentlich? mehr und mehr an gegenständlfcher Schärfe verliert und gerade in diesem Verlust ihre wahre Antwort findet, indem sie nämlich jeder Möglichkelt, der unbestimmten Allmacht Raum schafft, d.h. dem Unbedingten, das an sich ebenso ist wie es nicht ist. Die Philosophie ist die Idee, mit der man das ohne Anfang und Ende Bestehende, das völflg Unbestimmte und Endlose ahnt und behorcht.

Wenn wir nun herausgefunden haben, womit sich die Philosophie befaßt, dann können wir zufrieden sogar zustimmen, daß Philosophie auf diese oder jene Weise alles ist, was Philosophen über sie.gesagt und geschrieben haben.

Nichts ist überflüssig.

Nirgends gibt es einen Punkt.

Oder er ist eigentlich überall.

 

Review

(Aus Kapitel VI und VlI, PHILOSOPHIE UND GLAUBEN

übersetzt von Brigitte Simić)

©opyright Milan Nesic

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Where are beginning imposition and violence?

01-12-2005